Eine teure verpasste Chance

Werbeplakat am Bahnhof Thun - eine teure verpasste Chance

Das Plakat zur einheitlichen Finanzierung im Gesundheitswesen bietet uns einen aufschlussreichen Blick auf die Verbindung zwischen Botschaft und Persönlichkeit in der Werbung – und warum diese so entscheidend für den Erfolg ist. Mit einem Kind und einem Sparschwein als zentrale visuelle Elemente wird eine emotionale Reaktion provoziert. Doch das Thema – die einheitliche Finanzierung – ist alles andere als kindlich. Genau hier zeigt sich der Einfluss des Neuromarketings: Wenn Emotionen und Botschaft nicht übereinstimmen, wird das menschliche Gehirn skeptisch.

Die emotionale Diskrepanz: Was das Gehirn wirklich aufnimmt

Unser Gehirn reagiert blitzschnell auf visuelle Reize, bevor es die Zeit hat, über Worte nachzudenken. Ein Plakat mit einem Kind und einem Sparschwein spricht tief verwurzelte Instinkte an, die mit Fürsorge, Schutz und kindlicher Unschuld verbunden sind. Im Neuromarketing nutzt man diese emotionalen Trigger bewusst, um schnelle Aufmerksamkeit zu generieren. Doch was passiert, wenn das, was das Bild suggeriert, nicht zur tatsächlichen Botschaft passt?

Hier tritt ein Phänomen auf, das als kognitive Dissonanz bekannt ist: Das Gehirn erhält widersprüchliche Signale. Das Bild suggeriert etwas Leichtes, Spielerisches, während die eigentliche Thematik – die einheitliche Finanzierung des Gesundheitswesens – komplex, ernst und weitreichend ist. Diese Diskrepanz zwischen Bild und Botschaft führt zu einer Verwirrung, die das Vertrauen in die Kampagne untergraben kann. Emotionale Kohärenz ist entscheidend, wenn es darum geht, nicht nur die Aufmerksamkeit der Menschen zu gewinnen, sondern auch eine positive Verknüpfung zur eigentlichen Botschaft zu schaffen.

Neuromarketing und die Macht der Botschaft: Warum weniger oft mehr ist

Das menschliche Gehirn ist darauf programmiert, Informationen in Sekundenschnelle zu verarbeiten – besonders im öffentlichen Raum, wo die Aufmerksamkeitsspanne kurz ist. Ein gutes Plakat sollte deshalb maximal eine zentrale Botschaft transportieren. Im vorliegenden Fall werden jedoch mehrere Versprechen gemacht: „Kosten senken“, „Versorgung stärken“, „Prämienzahlende entlasten“. Diese Vielzahl von Aussagen überfordert das Gehirn und führt zu einem sogenannten Informations-Overload.

Aus neurowissenschaftlicher Sicht ist dies ein klares Problem: Zu viele Informationen auf einmal erschweren die Entscheidungsfindung. Menschen neigen dazu, in solchen Fällen entweder die Botschaft komplett zu ignorieren oder sie emotional abzulehnen, da der kognitive Aufwand zu hoch ist. Studien zeigen, dass zu viele parallele Botschaften die Fähigkeit, sich zu erinnern oder eine klare Entscheidung zu treffen, signifikant beeinträchtigen. Weniger, klarere Botschaften wären in diesem Fall viel wirksamer gewesen – das Gehirn bevorzugt einfache, prägnante Informationen, die es schnell verarbeiten kann.

Die Tonalität und ihre psychologische Wirkung

Tonalität ist eines der am häufigsten unterschätzten Elemente in der Werbung, besonders in der politischen Kommunikation. Hier spielt sie jedoch eine immense Rolle, denn sie beeinflusst, wie die Botschaft wahrgenommen wird und welche Emotionen sie auslöst. Im vorliegenden Plakat bewegt sich die Tonalität zwischen kindlicher Leichtigkeit und politischen Versprechen – ein klarer Mismatch.

Aus psychologischer Sicht erwarten Menschen in einem politischen Kontext Seriosität, Verlässlichkeit und Klarheit. Die Wahl eines kindlichen Motivs und einer überfreundlichen Tonalität kann das Gegenteil bewirken: Glaubwürdigkeit und Seriosität gehen verloren. Unser Gehirn erkennt instinktiv, wenn eine Botschaft zu „leicht“ daherkommt, um tatsächlich ernst gemeint zu sein – dies führt oft zu Ablehnung.

Was uns das Neuromarketing über Vertrauen lehrt

Vertrauen ist das Fundament jeder erfolgreichen Werbung, besonders im politischen Raum. Neuromarketing hat gezeigt, dass unser Gehirn auf bestimmte Signale von Glaubwürdigkeit achtet. Diese Signale werden durch Konsistenz zwischen Bild, Tonalität und Botschaft vermittelt. Glaubwürdigkeit entsteht, wenn alles zusammenpasst – Bildsprache, Wortwahl und die tiefere Bedeutung der Botschaft. Wenn jedoch, wie in diesem Fall, das Bild eine emotionale Leichtigkeit vermittelt, während die Thematik ernst und weitreichend ist, entsteht eine Vertrauenslücke.

Die psychologischen Grundlagen dafür liegen tief in unserer neuronalen Struktur: Unser Gehirn bewertet Informationen auf Basis vergangener Erfahrungen und emotionaler Muster. Wenn etwas „nicht stimmt“, wird das Misstrauen geweckt. Für eine Kampagne, die auf ein „Ja“ abzielt, ist das fatal.

Fazit: Emotionale Kohärenz und Klarheit sind entscheidend

Das Plakat zur einheitlichen Finanzierung zeigt eindrücklich, wie wichtig die Übereinstimmung zwischen der Persönlichkeit des Absenders, der Botschaft und der Tonalität ist. Die Lehren aus dem Neuromarketing verdeutlichen, dass Menschen intuitiv auf Inkonsistenzen reagieren. Wenn Bild, Ton und Botschaft nicht im Einklang sind, verliert die Kampagne an Kraft.

Das Gehirn bevorzugt klare, kohärente Botschaften, die eine emotionale Reaktion auslösen, die zur tatsächlichen Thematik passt. Emotionen sind ein mächtiges Werkzeug in der Werbung, aber sie müssen richtig eingesetzt werden. Nur dann kann eine Botschaft das Vertrauen und die Zustimmung der Menschen gewinnen – besonders, wenn es um so weitreichende Entscheidungen wie die Gesundheitsfinanzierung geht.

Das Komitee für das Ja-Lager, dessen Wurzeln auf dem Plakat ebenfalls nicht ersichtlich sind, hat sich die verpasste Chance viel kosten lassen.

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