Der Lehrerberuf braucht kein buchhalterisches Pimp-Up, sondern eine komplette Neupositionierung

Der Artikel aus "Der Bund" vom 6. August, hebt hervor, wie die aktuellen Massnahmen der Politik zur Bekämpfung des Lehrpersonenmangels im Kanton Bern vornehmlich auf extrinsische Motivationsfaktoren wie Gehaltserhöhungen für Klassenlehrpersonen und Entlastung in administrativen Aufgaben von Schulleitenden abzielen. Diese Ansätze sind wenig überlegt, wenn man bedenkt, wie richtiges Commitment entsteht. Längst ist bekannt, dass extrinsische Motivation keinen nachhaltigen Impact hat. Vielmehr braucht es Massnahmen, die das Berufsbild langfristig attraktiver zu gestalten vermögen. Es bedarf einer Neupositionierung des Lehrerberufs, die sich auf die intrinsische Motivation, die Sinnhaftigkeit und den grundlegende Wertschätzung dieses Berufes konzentriert.

Lehrpersonen spielen eine entscheidende Rolle als Mentoren und Wegbereiter. Sie öffnen jungen Menschen nicht nur die Tür zu Bildung und Wissen, sondern auch zu sozialer und emotionaler Entwicklung und Integration. Die meisten von uns erinnern sich an ihre Schulzeit und welche Lehrpersonen die Weichen richtig gestellt haben oder auch Aussagen gemacht haben, die Kindern in ihrem Charakter gestärkt haben. Der Beruf ist kein Job, sondern eine Berufung, die einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Einfluss hat und persönliche Erfüllung möglich macht.

In der 6. Klasse war ich selbst kein guter Schüler. Meine schulfreie Zeit habe ich lieber draussen im Wald oder beim Sport verbracht, als irgendwelche Fachinhalte zu büffeln. Folglich waren auch meine Noten nicht gerade Vorzeigematerial. Mein Deutsch- und Französischlehrer, Herr Wullschläger “Dr Wulli”, hat meine Mutter daraufhin kontaktiert und bei ihr seine Bedenken über meine magere Leistung geäussert. Er wollte wissen, weshalb dieser Junge die Leistungen nicht bringt. Meine Mutter hat dem Wulli erklärt, dass ich lieber draussen sei und Sport treibe - worauf Herr Wullschläger meinte: “Lassen Sie ihn.” Mit viel Erfahrung und Menschenkenntnis hat er es geschafft, mich über die Zeit für mehr schulischen Einsatz zu überzeugen. Er hat mich nicht aufgegeben, sondern meine Vorlieben akzeptiert. Das hat mich beeindruckt und die Beziehung zu diesem Lehrer gefestigt. Ich habe sein Verständnis für mich und sein Glaube in meine Fähigkeiten geschätzt. Er war streng und anerkennend zugleich. Wulli ist ein Beispiel eines Lehrers, der meine Schulzeit geprägt und mich weitergebracht hat. Auch Herr Baumgartner “Baumi” und Herr Wagner “Wagner” und viele andere Lehrpersonen haben mein Leben entscheidend geprägt. Ihnen gehört ein grosser Applaus!

Mit Lohnerhöhungen und Stellenprozent-Jonglage hat das nichts zu tun. Sondern damit, welche Wirksamkeit Lehrpersonen haben. Neben der Politik sind auch die Medien keine grosse Unterstützung darin, die Schulberufe positiv zu prägen. Damit der Lehrerberuf wieder attraktiver wird, braucht er eine neue Kommunikation. Es geht darum, den Lehrerberuf als eine Mission zu präsentieren, die weit über die Wissensvermittlung hinausgeht. Lehrerinnen und Lehrer sind Pioniere der gesellschaftlichen Entwicklung, sie haben Verantwortung wohin sich unsere Gesellschaft bewegt. Sie sind Bezugspersonen in der Entwicklung junger Menschen. Sie sind Sparringpartner für Familien und Alleinerziehende, die vielseitigen Herausforderungen ausgesetzt sind. Sie schaffen Perspektiven und sind Impulsgeber. Wenn das nicht attraktiv ist!

Leider werden Lehrpersonen wenig wertgeschätzt und für ihre Arbeit gewürdigt. Vor allem schlechte Beispiele gelangen an die Öffentlichkeit und Ausgebrannt-Sein scheint Teil des Stellenbeschriebs zu sein.

Die politischen Massnahmen greifen zu kurz und müssen mit einer Neupositionierung des Berufes erweitert werden. Statt nur extrinsische Anreize zu bieten, die wie ein Tropfen auf einem heissen Stein verdampfen, muss neues Verständnis für den Beruf und die Schaffung eines Umfeldes, in dem Lehrkräfte als Schlüsselpersonen der Gesellschaft anerkannt und gestärkt werden. Es braucht eine Kulturveränderung, die den Lehrberuf als wesentlichen Bestandteil unseres sozialen und kulturellen Lebens sieht und junge sowie erfahrene Talente anzieht und hält.

Zurück
Zurück

Employer Branding ist einfach, erst Employee Experience macht den Unterschied.

Weiter
Weiter

Anti-Loyale Sponsoren im Radsport: Warum Millioneninvestitionen ins Leere laufen