Anti-Loyale Sponsoren im Radsport: Warum Millioneninvestitionen ins Leere laufen

Mein unvergesslicher Besuch an der diesjährigen Tour de France hat mich zum Nachdenken über das Sponsoring im Radrennsport gebracht.

Das Sponsoring von World Tour Radteams bietet Unternehmen eine einzigartige Möglichkeit, ihre Marke weltweit zu präsentieren und mit Millionen von Fans in Kontakt zu treten. Doch trotz erheblicher Investitionen verpuffen oft Millionen von Dollar ohne messbare Ergebnisse. Die Gründe dafür sind vielfältig und tief verwurzelt in der Art und Weise, wie Sponsoring-Strategien umgesetzt werden.

Ein häufiges Problem ist der Fahrer- und Sponsorenwechsel. Bekannte Fahrer, die die Hauptattraktion eines Teams darstellen, wechseln das Team, da neue Rollen oder bessere Konditionen vor allem so zu bekommen sind - das Los einer Karriere der Radprofis. Ebenso ändern Sponsoren ihre Strategien und können sich von einem Team zurückziehen oder ihre Unterstützung auf ein anderes Team verlagern. Diese Veränderungen können die Markenbindung erheblich schwächen und die Assoziation der Marke mit dem Team verwässern. Ein Paradebeispiel dafür ist der Namenswechsel von “Jumbo-Visma” in “Visma Lease a Bike”​.

Ein weiteres Problem ist die mangelnde Sichtbarkeit. Viele Sponsoren schaffen es nicht, die mediale Präsenz während der Rennen in nachhaltige Markenbekanntheit umzuwandeln. Oft fehlen gezielte Massnahmen, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer effektiv zu nutzen. Die Gelegenheit, Millionen von Zuschauern zu erreichen, verpufft, weil es an klar definierten Botschaften und einer konsistenten Kommunikation mangelt. Hier wird deutlich, dass eine inkonsistente Markenkommunikation und fehlende Integration von Sponsoring in die umfassende Marketingstrategie dazu führen, dass die Botschaften nicht bei den Zielgruppen ankommen​. Was will das Team Astana kommunizieren und welche Botschaft vermittelt Arkea Samsic? Die Motivation des Sponsorings dieser Teams ist komplett verschieden, den Zuschauern bleibt das aber komplett verborgen.

Die Lösung für diese Herausforderungen liegt in einer durchdachten und konsequenten Markenstrategie und einer Botschaft, die durchdacht und verständlich kommuniziert werden will. Hinzu kommt, dass sich Fans an der Leistung und Persönlichkeit ihrer Stars orientieren. Der Sponsor ist deshalb unwichtig. Marc Hirschi wechselte 2021 relativ unerwartet vom Team DSM - das heute bereits wieder leicht anders heisst -  zu UAE und verschwindet im Schatten von Tadej Pogacar. Gerne hätten Marc’s Fans ihn an der Tour de France gesehen, doch das Team hat eine andere Strategie, als Marc Hirschi einzusetzen, um zu siegen. Nun wird bereits wieder über einen möglichen Teamwechsel spekuliert. Sogar die Kommentatoren können den häufigen Namenswechsel der Teams kaum folgen und so tragen sie dazu bei, dass die Markenidentitäten der Sponsoren sich komplett verlaufen.

Bora Hans Grohe hat mit Red Bull einen starken Sponsor gefunden. Doch passt dieser hochwertige deutsche Brand zum wilden Rebell? Die einzige Antwort darauf ist, dass die Kasse zu stimmen scheint. In diesem Sinne ist der finanziell kaum tragbare Radsport von der finanziellen Tragkraft der Sponsoren getrieben, statt von deren Markenwerten und Markenidentität. Es fragt sich, wie nachhaltig solche finanziellen Kunststücke eigentlich sind. Definitiv brachten der Radsport und deren Träger Nachhilfeunterricht im Entwickeln von nachhaltigen Markenerlebnissen und Markenzugehörigkeit. Vielleicht hat INEOS Grenadiers den anderen da etwas voraus. Sie übernahmen das Radteam von Sky und obschon sie an sportlicher Dominanz eingebüsst haben, scheinen sie sich als leistungsstarker Innovator positioniert zu haben und strahlen Konstanz aus. Aber auch ihnen fehlt es am herunterbrechen des Sponsoring-Engagements in eine Kommunikation auf Augenhöhe:

Radteam-Sponsoren sollten spezifische Landingpages erstellen, die direkt mit den Sponsoring-Aktivitäten verknüpft sind. Diese Seiten sollten relevante Informationen, exklusive Inhalte und klare CTAs enthalten. Zum Beispiel könnte eine Landingpage spezielle Angebote für Produkte enthalten, die während eines Rennens beworben wurden. Durch QR-Codes oder Links während der TV-Übertragung oder auf Social-Media-Kanälen beworben, können diese Angebote direkt an die Zuschauer kommuniziert werden.

Interaktive und ansprechende Inhalte sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Inhalte sollten nicht nur informativ sein, sondern auf den hoch emotionalen Erlebnissen der Fahrer und deren Schicksale einer Rundfahrt oder eines Rad-Klassikers aufbauen.

Radteams müssen lernen, die Bindung zu den Fans zu stärken, statt mit ihren oft finanzbegründeten willkürlichen Wechsel ihre eigene Marke zu schwächen und dabei zu vergessen, dass Fans ihre Fahrer lieben. Es scheint aber, dass die Sponsoren, die auf World-Tour-Niveau nur finanzstarke Player sein können, vor allem die Zahlen im Kopf haben, statt die Emotionen zu nutzen, die das Radrenn-Leben erzeugen.

Statt die emotionalen Momente zu nutzen und die Loyalität in die Marke zu stärken, limitiert sich das Radsport-Sponsoring in die enormen finanziellen Investitionen, die ja nicht zum Bumerang werden dürfen, wenn es wieder mal einen Doping-Skandal oder einen tragischen, tödlichen Unfall gibt. Würden die Marken zu ihrem finanziellen Investment auch in ihre Markenidentität investieren und ihre Kommunikation auf Augenhöhe mit Fans und Fahrerfeld führen, könnte der Radrennsport viel Sympathie gewinnen.

Bitte liebe Radsportteams, nutzt Team-Namen, die man aussprechen und sich merken kann, wechselt nicht immer die Dress-Designs und Farben und sich Fans blossgestellt vorkommen, weil ihr Dress das letztjährige ist. Und versteht endlich, dass Fans für ihre Heldinnen und Helden fanen und nicht für eine Supermarktkette oder ein Telekommunikationsunternehmen. Die eigene Markenidentität mit dem Radsport zu schärfen verlangt ein neues Denken, neue strategische Ansätze und viel Fleissarbeit in der Umsetzung. Geld hats genug!

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